Dienstag, 12. Juli 2011

Tag 9 - Narbonne

Bei Sète
Nach einer viel zu kurzen Nacht ging’s bei bewölktem Wetter weiter. Es war ganz angenehm, einmal nicht bei strahlendem Sonnenschein – und entsprechenden Temperaturen – zu fahren. Auch wenn es dennoch recht warm war. Wir freuten uns beide sehr auf die heutige Etappe. Das Ziel war Narbonne. Da wir gestern weiter gefahren sind als geplant, stand heute eine etwas kürzere Strecke an. Diese sollte uns zudem lange direkt am Meer entlang führen. Auf Nehrungen sollten wir von beiden Seiten mit Wasser umgeben sein.

Einfahren der Küste entlang
Doch bevor wir uns zwischen die Meere wagten, mussten wir uns stärken. Einige Kilometer nach Frontignan erreichten wir Sète. Ganz zu Beginn unserer Planungen hatten wir vor, hier einmal zu übernachten. Heute mussten wir feststellen, dass wir wohl nicht viel verpassen werden, wenn wir weiterziehen. Die Stadt ist geprägt von Industrie, alten Bauten, einigen Kanälen. Sicherlich hätten sich schöne Plätze finden lassen, doch wir entschieden uns weiterzufahren. Dem Meer entlang umkurvten wir den Hausberg Sètes. Auf der Promenade gab es zudem einen Halt auf einem Aussichtspunkt direkt über der Brandung. Einige hundert Meter weiter fanden wir auch endlich eine Bäckerei und einen Supermarkt. Die Szene glich einem Markt. Auch wenn oder gerade weil alles mitten in Hotels gelegen hatte und von Touristen dominiert wurde, hatte es einen gewissen Unterhaltungswert, die Geschehnisse auf dem Platz zu verfolgen.
Bei Sète
Als wir wieder aufbrachen, hielten wir auf die Küstenstrasse nach Agde zu. Ich zumindest. Nachdem ich bei einem der vielen Kreisel zurückschaute, musste ich feststellen, dass mein Bruder nicht mehr hinter mir war. Na dann, warten wir. Auch nach einigen Momenten ist er nicht in Sicht. Dann muss ich wohl zum Kreisel zurück. Gerade als ich mich auf der falschen Fahrbahn zurückgemogelt hatte und einige Augenblicke in alle Richtungen spähte, kam er zurück. Er hatte sich für die Strasse entschieden, die einmal um den Berg herumführen würde. Er hat aber auch gemerkt, dass etwas nicht stimmte, als er mich nicht mehr sah.

Auf dem Möchte-Gern-Radweg
Gemeinsam fuhren wir also auf die Sandbank raus, die Sète mit Agde verbindet. Beim nächsten grossen Kreisel wurden die Velos von der Hauptstrasse weggewiesen: Fahrräder verboten. Wir folgten dem Radweg, der direkt beim Meer lag. Nur eine Düne trennte uns vom Strand. Wir freuten uns auf die nächsten Kilometer. Nach Karte sollte die Strecke schnurgerade bis nach Agde führen. Doch wir haben die Rechnung ohne die französischen Verkehrsplaner gemacht. Einige Pedalumdrehungen später endete der Radweg quasi. Er war zwar nicht wirklich fertig, doch was weiterführte, konnte man nicht als Radweg bezeichnen. Es glich eher einem Wiesenweg, der über einen Acker und durch Reben führte. Doch wir hatten keine Wahl. In der Hoffnung, dass unser Material das mitmachen würde, fuhren wir weiter. Unser Mut wurde belohnt. Wenige Kilometer weiter gab es wieder einen richtigen Radweg. So erreichten wir irgendwann Les Onglous.

So wie es sein soll
So wie es nicht unbedingt sein soll


Marseillaise nach Marseillan
Fälschlicherweise dachten wir, wir wären bereits näher an Agde. Unsere Karte konnte uns leider nicht weiterhelfen. Wir entschieden uns an einer grossen Kreuzung aus dem Bauch heraus für eine Strasse. Leider für die falsche. Wir gelangten nach einigen Zweifeln, die uns nicht daran hinderten, weiterzufahren, nach Marseillan. Zeit für eine Pause. Im Supermarkt versorgten wir uns mit dem Üblichen. Dazu gehörte nun jeweils auch eine Dose Cola. Schnelle Energie... Auf der Mauer vor dem Supermarkt diskutierten wir über die weitere Route. Doch viel zu bereden gab es nicht. Wir mussten nach Agde, hatten nun halt eine kleine Zusatzrunde gedreht. Doch immerhin mussten wir nicht zurück, konnten direkt von hier weiter.

Bei Fleury
Auf den Möchte-Gern-Strassen
So fuhren wir nun. Unsere Route führte uns von Agde weiter nach Vias. Kurz vor Villeneuve-lès-Béziers drehten wir nach Süden ab. Nächstes Ziel: Sérignan. Die Strecke von Sérignan über Vendres und Fleury nach Vinassan waren mit die schlimmsten Kilometer der gesamten Tour. Zum einen mussten wir uns auf unseren Orientierungssinn verlassen, da unsere Karten bei diesen kleinen Strassen an ihre Grenzen stiessen. Zum anderen haben die Wege durch die französische Pampa wohl seit Jahren keinen Unterhalt mehr erhalten. Die Strassen waren teilweise in katastrophalem Zustand: Löcher, Risse, Flickenteppiche.

Riegel-Pause
Bei Vinassan
In Fleury legten wir noch eine Pause ein. Erst wollten wir im Dorfzentrum mal wieder unseren Proviant aufstocken. Doch das verschlafene Dörfchen hatte nichts zu bieten, was einem Laden ähnlich schien – ausser der für Frankreich obligaten Pharmacie. Als wir gerade dorfauswärts fuhren, entschieden wir, dennoch eine Pause zu machen. Eine „Riegel-Pause“; mehr hatten wir nicht. Als dann kurz vor der Rast der Himmel drohte, über uns einzubrechen und wir fürchteten, in einen Platzregen zu kommen, der sich durch riesige Tropfen ankündigte, suchten wir die nächstbeste Bank und wurden unter einem schützenden Baum fündig. Riegel-Pause! Sie wurde dann aber doch zur „Riegel- und Mentos-Pause“.
Der Regen blieb aus. Die paar Tropfen waren schon alles. Auf der gesamten Reise sollte dies der einzige Moment bleiben, in dem wir unseren Regenschutz brauchten. Weitere Regenstörungen Fehlanzeige!

In Narbonne
Velo-Bummel
Durch Wälder, Wiesen und Äcker fuhren wir weiter. Kreuz und quer, ohne jegliche Orientierung, immer der Strasse entlang. Dennoch erreichten wir wie erwähnt Vinassan. Hier wurden die Strassen wieder besser und die Wegweiser wieder häufiger. Letzteren folgten wir bis Narbonne. In der Stadt angekommen war es erst schwierig, das Stadtzentrum auszumachen. Wir fuhren mit etwas Sinn und viel Erfahrung aber schliesslich ans richtige Ort. Als die Gassen enger und die Fussgänger mehr wurden, stiegen wir ab. Wir bummelten mit Rad, Sack und Pack durch die Gässchen und gelangten zum Hauptplatz beim Rathaus. Direkt machten wir uns auf die Suche nach einem Hotel. Etwas ausserhalb der Fussgängerzone wurden wir fündig. Das Hotel schient alt, aber gepflegt. Der Herr an der Rezeption zeigte uns freundlich den Raum, wo wir die Räder abstellen konnten.


Waschen, das Zweite
Im Rathaus von Narbonne
Da wir zeitig hier waren, entschlossen wir, einen Waschsalon-Besuch einzuschieben. Während mein Bruder waschen ging, hing ich die in Lyon gekaufte Schnur kreuz und quer durch das Zimmer auf. Die Wäsche sollte schnell trocknen. Im Zimmer war es ziemlich warm. Ich war sehr froh, dass das Wetter weiterhin durchzogen war. Wäre es heisser gewesen, wäre in dem Zimmer wohl Sauna-Feeling aufgekommen.

Als die Wäsche hing, bummelten wir ohne Sack und Pack noch durch die Innenstadt. Ein kurzer Besuch im Supermarkt, ein Schauen in die Schaufenster, ein Rundgang rund um die Brücken über den Fluss, ein Abstecher in das mittelalterlich anmutende Rathaus am Hauptplatz: Erst danach genossen wir in einem Restaurant direkt an den Steinmauern des Rathauses unser Abendessen.

Zurück im Hotelzimmer lagen wir im Bett. Während wir einschliefen, hörten wir es draussen blitzen und donnern und waren gespannt, wie das Wetter wohl morgen sein würde.



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