Donnerstag, 7. Juli 2011

Tag 4 - Pont-d'Ain

Heute war ein guter Tag. Weshalb? Keine Ahnung. Wir hatten keine Ahnung, wie das Wetter sein wird. Wir hatten keine Ahnung, wie die Strecke sein wird. Wir hatten keine Ahnung, wie der Verkehr sein wird. Eigentlich hatten wir eine Ahnung, aber die versprach uns Schauer, Höhenmeter und viel Verkehr. Und dennoch sind wir nach den allmorgendlichen Ritualen ziemlich motiviert aufgestiegen. Wir waren wohl beide in einer Art gespannter Vorfreude, da wir uns erhofften, im Rhonetal zwischen Genf und Lyon einige schöne Landstriche zu durchqueren.


Grenzgänger
Halt in Chancy
Wir verliessen die Region Genf über Lancy, Obex und Bernex und nutzten die ersten Kilometer als Starthilfe, denn sie führten leicht abfallend bis zur schweizerisch-französischen Grenze. Im letzten Ort auf Schweizer Boden machten wir unseren Frühstückshalt. Dazu war der kleine Supermarkt, der mitten in einer Kreuzung im beschaulichen Chancy stand, ideal. Während wir uns eine Freude daraus machten, die passierenden Fahrzeuglenker übertrieben freundlich zu grüssen, machten sich jene wohl eine Freude daraus, uns, zwei merkwürdige, auf einer aus einem riesigen Baumstamm geschnitzten Bank sitzende Gestalten, dumm anzustarren. Frisch gestärkt ging es sodann weiter. Wir waren uns bewusst, dass auf der französischen Seite eine stark befahrene Strasse wartet. Diese führte uns durch die Täler bis nach Bellegarde-sur-Valserine. Von da an – so hofften wir – sollte die nahegelegene Autobahn einiges an Verkehr schlucken.

Idylle
Über der Rhone
Kaum hatten wir die Rhone – und damit die Grenze – zwischen Chancy und Pougny überquert, erreichten wir die erwähnte Hauptstrasse. Bald stellte sich auch heraus, dass wir mit fast all unseren Erwartungen richtig gelegen haben. Die Strassen gingen rauf und runter und waren stark befahren. Doch dafür wurden wir mit wunderschönen Landschaften entschädigt. Nur das Wetter verhielt sich anders – besser. Blauer Himmel und purer Sonnenschein verschönerten die Landschaft zusätzlich. Eine kleine Überraschung gab es dennoch, denn wir haben nicht damit gerechnet, durch mehrere Tunnels fahren zu müssen beziehungsweise zu dürfen.

Die Kurven bis Nantua
Das Rhonetal
So ging es durch die Wälder, bis wir nach einer rasanten Abfahrt im Zentrum von Bellegarde standen. Doch kaum hatten wir die Senke erreicht, ging es auf der anderen Seite des Dorfplatzes mindestens gleich steil wieder empor. Nach einer Extrarunde, die nötig wurde um die richtigen Gänge einzulegen, fuhren wir also wieder bergauf. Kurvige Strassen führten uns vorbei an der TGV-Strecke über Trébillet am Lac de Sylans vorbei zum Lac de Nantua. Diese Strecke von Bellegarde nach Nantua hatte es extrem in sich. Denn während die parallel verlaufende Autobahn immer auf etwa gleicher Höhe gehalten wurde, verlief unsere Strasse mal auf der Talsohle, mal auf einer Anhöhe. Zur nun einsetzenden Bewölkung gesellte sich ein zwar schwacher, aber äusserst unangenehmer Gegenwind.
Vor Nantua
So waren wir beide sehr froh, als wir endlich in Nantua eintrafen. Ebenso froh war wahrscheinlich auch der Lastwagenfahrer, der bereits eine ganze Weile hinter uns herfahren musste, da er nicht vorbeikam. Doch wir gaben ihm zuliebe unser Bestes, hauten in die Pedale und bretterten so schnell es ging bis ins Zentrum. Nach einem freundlichen Winken und gegenseitigen Schmunzeln beim Passieren war die Sache dann auch mehr als erledigt.

Am See
Lac de Nantua
Es war Mittagszeit. Unsere Wasserflaschen waren leer. Wenn sie hätten knurren können, hätten sie wohl ähnliche Geräusche gemacht wie unsere Mägen. Es war also Zeit für das Mittagessen. Bei der Fahrt durch das Örtchen fielen uns zwei Supermärkte auf. Doch der eine schien seine offenen Tage hinter sich und der andere wegen der Mittagszeit geschlossen zu haben. Erst einige Runden und Wendemanöver später fanden wir noch einen Laden, der geöffnet hatte. So deckten wir uns mit dem Gewünschten ein und suchten uns ein nettes Plätzchen am See, wo wir bei zügigem Wind aber bester Aussicht unser Mahl genossen.

Auf zur Ain!
Es war dies der Moment, in dem wir uns entschlossen, unsere Route leicht umzustellen. Anstatt wie geplant von hier über Maillat und Saint Alban nach Poncin zu fahren, entschlossen wir uns, direkt an die Ain zu steuern, um danach einfach dem Flussverlauf folgen zu können. Über Brion gelangten wir nach Nurieux-Volognat. Hier sei dem Pärchen zu danken, welches uns am Kreisel in Brion weiterhalf und sagte, wir sollen nur dem „TGV“, nein, dem „chemin de fer“, dem „train“ folgen. Auch wenn wir’s bereits verstanden hatten, danke!

Zu früh gelacht
Aufstieg zum Col du Berthiand
Hinter Nurieux waren wir zum Spassen aufgelegt. Eine Tafel pries uns den Col du Berthiand an, dessen 780 Meter über Meer uns im ersten Moment aber nur ein müdes Lächeln entlockten. Zwar war ebenso ein in der Ebene verlaufender Radweg „l’Ain à vélo“ ausgeschildert, doch angesichts unserer Rennräder und den uns umgebenden Wäldern und Bergen vertrauten wir nicht darauf. Also ging’s bergauf. Bereits wenige Kurven später mussten wir feststellen, dass es doch höher war als angenommen. Schliesslich hatten wir keine Ahnung auf welcher Höhe wir unten bei der Tafel waren.
Aussicht vom C.d. Berthiand
Viele Pedalumdrehungen und einige witzige Sprüche zur Stimmungsaufheiterung später war es aber dann geschafft. Die siebenhundertachtzig Meter waren erreicht und die Abfahrt wartete auf uns. Gerne erinnere ich mich an jenes Gefühl zurück, welches du hast, wenn du auf guter Strasse nur aufzusitzen brauchst und ohne einmal zu treten locker sechzig Stundenkilometer erreichst. So war es auch eher erholsam als kräfteraubend zweimal zum Geniessen der Aussicht anzuhalten.

Flussabwärts
Bei Merpuis
Ausnahmsweise fühlte sich hier die Abfahrt länger an als der Anstieg. Doch mein Bruder wäre beinahe zu weit gefahren. Da er den Abzweiger verpasst hat, zischte er an mir vorbei und wäre prompt weiter unten über die Ain gefahren. Hätte ich ihn nicht zurückrufen können, hätte er wohl auf dem Rückweg zusätzliche Höhenmeter machen müssen. Unser Weg führte uns nämlich rechts von der Hauptstrasse weg nach Serrières-sur-Ain. Von hier aus ging es auf einer kaum befahrenen Uferstrasse dem Fluss entlang über Merpuis nach Poncin. Zurück auf der Hauptstrasse gelangten wir nach Neuville-sur-Ain, wo wir unseren letzten Halt an diesem Abend gemacht haben. Mit gefüllten Tanks ging es auf die letzten Kilometer nach Pont-d’Ain, unserem heutigen Etappenziel.

Bestes Haus am Platz
Endlich war die Hotelsuche, wie man sie sich wünschte. Wir steuerten das beste Hotel am Platz an (es war auch das einzige) und bekamen prompt unser Zimmer. Nachdem wir die Räder in der Garage abgestellt hatten, ging zur Erholung und Erfrischung aufs Zimmer. Während ich den kostenlosen WiFi-Zugang auskostete, zappte sich mein Bruder durch das Fernsehprogramm. Doch auch an diesem Tag überkam uns irgendwann der Hunger.

Mit Dessert
Direkt schräg gegenüber auf der anderen Strassenseite fanden wir eine Pizzeria, welche uns ein Abendessen bot, welches für lange Zeit das Beste bleiben sollte. Einem ausgezeichneten Salat folgte eine schmackhafte Pizza. Abgerundet wurde das Ganze von hausgemachtem Schokomousse. Auch wenn dadurch der Tagesbedarf an Zucker eines ausgewachsenen Bären gedeckt worden wäre, war es extrem lecker. Zum Abschluss wollten wir noch zum Fluss. Doch gerade als wir dort ankamen, setzte Regen ein. So blieb uns nichts anderes übrig, als – vorbei an einer Sammlung witziger Zeichnungen – zurück zum Hotel zu gehen.








Keine Kommentare: