Dienstag, 5. Juli 2011

Tag 2 - Neuchâtel

Der Wecker des Handys klingelte. Ich hörte nichts davon. Doch solange mein Bruder davon wach wurde, genügte es ja. Irgendwie hat er es immer wieder geschafft, mich aus dem Bett zu bekommen. Es ist ja nicht so, dass ich lange ausschlafen würde, doch um sieben aufzustehen, nachdem man gefühlt erst gerade schlafen gegangen ist, passt irgendwie nicht zu meinem Zyklus. Doch eins vorne weg: Man gewöhnt sich daran. Eine kleine Hilfe dabei ist das morgendliche Programm – also das Fernsehprogramm. Die Musik von „3 auf 2“ (DRS 3 auf SF 2) hilft über die ersten Hürden hinweg und begleitet uns beim Aufstehen, beim Packen und Richten. Schon jetzt fühlt es sich so an, als ob wir bereits mehrere Tage unterwegs gewesen wären. Es ist wohl eine Art alter Rhythmus von der letzten Reise, in welchen wir bereits wieder gefallen sind. Was aber gar nicht routinemässig war, waren meine körperlichen Beschwerden. Muskulatur gut, Kopf und Verstand gut, Gelenke auch gut – nur etliche Blasen machten mir zu schaffen. Ich war also gezwungen, auf die Bike-Hosen zu verzichten und zog mir nur noch die Fahrradhose an.

Investment-Tipp
Hierzu ein kleiner Einschub: Falls ihr mal eine solche Reise machen wollt, investiert euer Geld in eine gute Ausrüstung. 100 Franken und mehr für Velohosen mag euch vielleicht viel erscheinen, doch ich sage euch: Keinen Rappen bereue ich dafür ausgegeben zu haben. Zum einen ist der Preis pro gefahrenem Kilometer oder pro Minute im Sattel sehr klein und zum anderen fallen die Ausgaben für die Ausrüstung im Gesamtbudget der drei Wochen Ferien kaum ins Gewicht, obschon es sich bei dieser Art Urlaub quasi um Low-Budget-Ferien handelt.

Aufsitzen
Wir holten unsere Räder aus der Scheune, quatschten noch eine Weile mit unserem Gastgeber bis wir schliesslich kurz vor acht Uhr aufbrachen. Das heutige Tagesprogramm war happig: Unser Ziel war wie bereits erwähnt Yverdon. Dazwischen lagen etliche Städte und zwei Seen. Wir entschieden uns, den Bieler- und den Neuenburgersee auf der Westseite zu passieren. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg.
Am Morgen lief es gut, obwohl wir uns schon seit langem vor diesem Morgen des zweiten Tages gefürchtet hatten, da jetzt die Sitzbeschwerden erfahrungsgemäss mit am grössten waren. Doch schnell liessen wir Aarau hinter uns, steuerten vorbei am durch die nervige Werbung bekannten Fashion Fish in Schönenwerd, drehten fast eine volle Runde um das Atomkraftwerk in Gösgen und gelangten schliesslich nach Olten: Zeit für eine Pause.
Halt in Olten
Nach einem gelungenen 11-Uhr-Snack war ich nun noch um etwas besorgt. In der Drogerie und in der Apotheke machte ich mich auf die Suche nach Pflaster und Salbe, damit ich die Blasen im Gesässbereich zumindest behelfsmässig verarzten konnte. Die nette Dame in der Drogerie hat mir eine Zinksalbe zur Wundheilung verkauft, welche ich nur empfehlen kann. Zusammen mit den Extra-Sport-Pflastern aus der Apotheke (trotz des stattlichen Preises durchaus empfehlenswert) war so für Ruhe gesorgt. Der Besuch in der Apotheke war zudem ein witziges Erlebnis: Nachdem eine Verkäuferin ihre Kollegin um Rat gefragt hat und mir beide eine Salbe verkaufen wollten, welche ich aber ja bereits hatte, fragten sie ihre Chefin um Rat. Sie kam aus ihrem Büro und das erste, was sie fragte, war, ob ich noch weit fahren müsse. Ich bejahte nur, liess aber weg, dass ich noch 14 Tage und mehr als tausend Kilometer vor mir hatte. Obwohl: Im Nachhinein frage ich mich, wie sie wohl reagiert hätte.

Nichts geht mehr!
Nun denn, unsere Reise ging weiter. Wir spulten unsere Kilometer ab, wollten wir zumindest. Doch eine gewisse Erschöpfung, ungewohnte Hitze und ein zügiger Gegenwind liessen uns kaum vorwärts kommen. Irgendwann und irgendwo – ich weiss wirklich nicht mehr wo – stellten wir unsere Räder hin und gönnten uns eine zwanzig minütige Mittagspause.
Halt in Biel
Zwar ausgeruht aber leider nicht einfacher fuhren wir weiter. Über Solothurn führte uns unser Weg nach Biel. Nach einem kurzen Glace-Halt am See ging es weiter in Richtung Neuenburg. Die Strasse am westlichen Seeufer war leider ziemlich stark befahren, sodass wir schon bald auf den Radweg auszuweichen versuchten. Unsere Befürchtungen haben sich aber schnell bewahrheitet und der Weg, den uns ein Passant als „gut befahrbar“ beschrieb, entpuppte sich als Kiesweg direkt am Seeufer. Es hiess also absteigen und zu Fuss weiter bis zur nächsten Einfahrt in die grosse Strasse. Das durchaus Positive war, dass wir so in den Genuss einer herrlichen Aussicht auf den See kamen.

Am Bielersee
Der freche, nette alte Mann
Zurück auf der Strasse versuchten wir endlich einmal einige Kilometer gutzumachen. Dies funktionierte anfangs recht gut, bis wir in Le Landeron dem Tipp eines älteren Herrn gefolgt sind, der uns ein paar Orte früher empfohlen hat, der linken Kanalseite entlang zu fahren, nachdem er uns zuerst angepöbelt hat, uns nachher aber kaum mehr gehen liess. Ich schätze, wir hätten uns einiges an Strecke ersparen können. Doch auch so gelangten wir schliesslich an den Neuenburgersee. Es waren nur noch wenige Kilometer bis zu unserem neu ausgegebenen Etappenziel Neuchâtel. Auf einem schön angelegten Radweg gelangten wir in die Stadt - vorbei am Fussballstadion des ortsansässigen Neuchâtel Xamax, auf dessen Aussenfeld wir gerade die 1. Mannschaft beim Training beobachten konnten.

Filmfestival
Hotelsuche war nun angesagt. Doch da haben wir die Rechnung ohne das Filmfestival gemacht. Die Dame im ersten Hotel hat uns viel Glück gewünscht für heute Abend noch ein Zimmer zu finden. Während des Festivals seien die meisten Häuser ausgebucht. Doch zum Glück wurden wir nach ausgiebiger Suche doch noch fündig und konnten unser Zimmer im Hotel du Marché an einem der Hauptplätze beziehen. Dass wir dafür einen zu teuren Preis bezahlt haben, versteht sich wohl von selbst. Doch dafür wurde uns auch einige geboten: Die Fahrräder konnten wir im Keller im Vorratsraum unterbringen. Bereits beim Hineinstellen waren wir froh, dass sie keinen Geruch annehmen konnten. Doch das eigentliche Highlight wartete im Zimmer auf uns: ein in eine Dusche integriertes Badezimmer auf einer Fläche von vielleicht zwei Quadratmetern.
Und wieder das allabendliche Programm: Duschen, Ausruhen und dann Essen. In so einer Stadt liefen wir zumindest nicht Gefahr, uns wieder aus dem Automaten ernähren zu müssen. Bereits einige Gassen hinter unserem Hotel fanden wir ein Restaurant, in dem wir uns köstlich verpflegen liessen.

Der dritte Tag konnte kommen!


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